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Dienstag, 5. März 2013

Content Marketing und Storyhunger. Zwei Gründe mehr für einen strukturierten Blick auf Geschichten im Marketing.

Vor etwa einem Jahr habe ich hier diesen Blogpost geschrieben:
"Storytelling Structures - 5 Gründe warum Marketing, Werbung und Digital einen strukturierten Blick auf Geschichten braucht."

Ich freue mich, dass der Post immer noch gelesen wird - selbst wenn er mir mit dem Abstand eines Jahres ein wenig - sagen wir - verkopft erscheint.  Egal! Ich bleibe immer noch dabei, dass sich Marketing viel intensiver mit den inneren Strukturen von Geschichten beschäftigen muß.
Auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: "Content is King" sagt sich leichter, als bedeutungsvolle Inhalte zu produzieren.

Vor einem Jahr habe ich für mich fünf Gründe gesehen, um mich noch stärker mit Storytelling zu  beschäftigen. Heute kommen zwei Gründe dazu: Unser Hunger nach Geschichten und die Möglichkeiten des Content Marketings.


1. Story-Hunger - Menschen hungern nach Geschichten. Wenn sie relevant sind. 

Für mich ist es die wichtigste Beobachtung. Die treibende Anregung, um mich mit Geschichten, Storytelling und Dramaturgie zu beschäftigen: Menschen hungern nach Geschichten.

Egal wie stressig der Tag. Es bleibt immer Zeit für eine Story. In der U-Bahn, im Zug, im Fieger, am Strand, auf dem Sofa, im Wartezimmer....Bücher, Serien, Zeitungen,Webseiten, Spiele.
Menschen sind irgendwie dauernd in anderen Welten unterwegs.

Das scheint sich auch in Zukunft nicht zu ändern: Bei einer Studie über die Inhalte der Zukunft gaben die Teilnehmer an, am liebsten lang-laufenden Geschichten folgen zu wollen. Und in einem Blog habe ich neulich gelesen, die durchschnittliche Sehdauer von Online Videos läge bei 6 Minuten (Kennt jemand eine Studie mit besseren Zahlen?).

Selbst wenn wir träumen, träumen wir in Geschichten. In ziemlich verrücken manchmal.
Für Jonathan Gottschall sind wir deshalb "Storytelling Animals". In seinem gleichnamigen Buch, fragt er sich, woher die Magie von Geschichten kommt. Fast 1/3 unserer Lebenszeit verbringen wir in Phatasiewelten, ist dort zu lesen.

Neurowissenschaften, Psychologie und Evolutionstheorie zerbrechen sich den Kopf darüber, was Geschichten so unwiderstehlich macht. Irgendwie scheint narratives Denken in unserem Hirn fest verdrahtet zu sein. Unser Denken funktioniert in Geschichten. Geschichten helfen beim Lernen und Erinnern. Sie lassen uns die Welt verstehen. Geschichten beeinflussen unser Verhalten und nähren unsere sozialen Bindungen. Und obwohl Storytelling so alltäglich ist, wenden wir ihm kaum bewusste Aufmerksamkeit zu.

Vielleicht, weil wir Manches als Geschichte bezeichnen, was keine eine Geschichte ist. Eine Menge sogenannter Content ist eigentlich Nontent. Eine Ansammlung von bedeutungslosen Fakten. Darum mag ich das Wort "Content" nicht besonders. Es beraubt Geschichten der Emotion.
Denn erst wenn Geschichten tiefe Emotionen wecken, wenn sie Drama und Dramaturgie mitbringen, wenden wir uns ihnen wirklich zu und lassen sie unser Herz bewegen.
Den Unterschied zwischen Content und Nontent zeigt dieses (leider sehr traurige) Video deutlich.




2. Content Marketing - Oder Geschichten lohnen sich wieder. 

Kaum ein Begriff boomt im Moment um mich herum so sehr wie Content Marketing. Ob Start-up, Unternehmenskunde oder befreundeter Blogger - jeder sucht nach Strategien, um die eigenen Medien-Plattformen durch die eigenen Inhalte so interessant zu gestalten, dass Nutzer sich freiwillig damit beschäftigen.

"Wegschauen, wegzappen, wegklicken - weil viele Verbraucher Reklame nervt, suchen die Unternehmen nach anderen Möglichkeiten, ihre Produkte ins rechte Licht zu rücken, ohne dabei allzu aufdringlich zu wirken", schreibt die FAZ in einem Artikel zum Content Marketing. Die Überschrift des Artikels: Lass uns Freunde werden.

Statt sich nur bei publikumsstarken Medien einzukaufen und deren Publikum mit Werbung zu bombadieren, beginnen Unternehmen eigene Geschichten zu erzählen, um ein eigenes Publikum aufzubauen. Bis 2015 sollen die Ausgaben für Owned Media um 4,5 Milliarden Euro steigen, zitiert die FAZ die Unternehmensberatung McKinsey. Bei bezahlten Werbeplätzen sollen die Ausgaben hingegen nur um 0,7 Milliarden Euro steigen. Vielleicht ein Grund, warum die FAZ Content Marketing eher kritisch sieht. Wenn Unternehmen ihre eigenen Inhalte verlegen statt Werbeplätze zu kaufen, kratzen sie weiter an der schrumpfenden Finanzierungsgrundlage der klassischen Medien.

Red Bull Stratos.  Coca-Cola.com mit Magazin-Charakter. Eine online TV-Show für Fieberglas DSL. Mercedes TV. Telekom Geschäftskundenmagazin. Praktikanten-Videotagebuch für neue Bewerber. Die Ansätze, um selbstproduzierte Inhalte für das Marketing zu nutzen, sind so vielfältig wie die Budgets, Zielgruppen und Zielsetzungen. Auch in Channes werden Löwen für Content-Formate vergeben.

Während bezahlte Werbung (Paid Media) zumeist auf Aufmerksamkeitsmaximierung ausgerichtet ist, zielen Content-Strategien darauf:
  1. ein eigenes Publikum aufzubauen, zu fesseln und zu überzeugen. 
  2. kurzfristige Werbe-Aufmerksamkeit in langfristiges Interesse, Engagement, Begeisterung, Vertrauen und Loyalität zu verwandeln. 
  3. Produkte und Dienstleistungen überzeugend zu erklären; vor allem wenn sie komplizierter sind und nicht in eine kurze Werbebotschaft passen. 
  4. Menschen zu animieren, sich länger und öfter mit dem Unternehmen und seinen Themen zu beschäftigen. 
  5. Hilfestellungen und Anregungen zum Umgang mit Produkten und Dienstleistungen zu geben. 
  6. Interessenten anzuregen, mit dem Unternehmen in Dialog zu treten und bestenfalls dessen Inhalte mit anderen zu teilen, um andere aufmerksam zu machen. 
  7. In den Suchanfragen potentieller Kunden zu den Themen, Schlüsselwörtern und Geschichten, die sie interessieren aufzutauchen - oder neue Themen und Keywords zu prägen.
Eine Messbarkeit scheint im Content Marketing gegeben: Verweildauer auf den Plattformen, Likes, Interaktionsraten, Views, Shares, Absprungqouten, Referral-Zugriffe, Backlinks, Einstiegs-Keywords, Öffnungsrate - alles lässt sich messen. Nur gib es viele Meinungen, was man messen sollte.

"Measure YouTube views? Your employees will strive for more and more views. Measure downloads of a product? You'll get more of that. But if your actual goal is to boost sales or acquire members, better measures might be return-on-investment (ROI), on-site conversion, or retention. Do people who download the product keep using it, or share it with others? If not, all the downloads in the world won't help your business."
(Jeff Bladt and Bob Filbi: Know the Difference Between Your Data and Your Metrics, HBR blog. )
Im besten Fall sieht man entlang der Daten, welche Inhalte zu einer Conversion geführt haben.
Die gesamte Analytics-Klaviatur des Online Marketings lässt sich auf Inhalte anwenden. Dementsprechend strategisch lässt sich vorgehen, um Inhalte auf relevante Keywords der Zielgruppe hin zu entwickeln.



Über die Qualität der Inhalte sagt jeder strategische Gedanke erstmal nicht viel aus. Nur steigt der Druck gute Inhalte zu produzieren kontinuierlich. Webseite, Facebook-Seite, Twitter-Account, Pinterest-Board, Instagram... Die Plattformen wollen gefüllt werden. Auch die Konkurrenz durch die Posts anderer Unternehmen nimmt stetig zu. Infografiken, Bilder, die immer gleichen Gewinnspiel-Mechaniken werden sich sicher genauso abnutzen, wie sich Inhaltsformate in anderen Medien durch Wiederholung abnutzen. Wer will heute noch Big Brother sehen?

Von der andere Seite berücksichtigen Suchmaschinen immer mehr das individuelle Suchverhalten jedes einzelnen Nutzers sowie die Inhalte, die von seinem persönliches Netzwerk empfohlen werden. "Welche Freunde meiner Freunde mögen Fußball" lässt sich mit Graph-Search von Facebook fragen. Google durchsucht Twitter und Google+ nach den beliebtesten Quellen. Die Bewertung von Inhalten wird sich in Suchmaschinen verbessern, je mehr Interesse sie meinem persönlichen Netzwerk auslösen.

Content Marketing mit dem Herausballern von suchmaschinen-optimierten Texte zu verwechseln, macht mir daher den gleichen Bauchschmerz, wie Social Media mit iPad-Verlosungen zu verwechseln. Kurzfristig lassen sich sicher Erfolge feiern. Langfristig wird es irrelevant.

Letztlich geht es um mehr, als nur schnelle Klicks: Es geht um einen Kulturwandel:
In seinem Buch Story-Wars (derzeit im Wettbewerb um das beste Marketingbuch 2012) beschreibt Jonah Sachs, dass mit der Digitalisierung der Übergang von der Kultur der Massenmedien hin zu einer digitoralen Kultur einhergehe.

Der Begriff ist eine Wortschöpfung aus oraler Kultur und Digitalität. In oralen Kulturen überlebten nur die Geschichten, die von Lagerfeuer zu Lagerfeuer weitererzählt wurden. Das Netz erlaubt die sekundenschnelle, weltweite Verbreitung von Geschichten von einem virtuellen Lagerfeuer zum nächsten. Die kulturgebende Macht der Massenmedien werde ausgehebelt und damit auch die auf ihr reitenden Marketing-Botschaften.

Das Ergebnis ist für Sachs eine Welt in der es kein ein Verteilungskampf um Aufmerksamkeit stattfindet. Vielmehr entwickelt sich ein Kampf um Bedeutung. Um die Geschichten, die sich in dieser digitoralen Kultur durchsetzen, Bedeutung entfalten, verteilt werden.
Eine Welt in der ein Sprung aus der Stratosphäre zum weltweiten Ereignis eines Limonadenherstellers werden kann. Eine Welt in der eine Bibliothek mit der Ankündigung einer Bücherverbrennung eine Welle gegen die mächtige Tea Party lostreten kann.


Book Burning Party - Troy Library from Leo Burnett Detroit on Vimeo.

Eine Welt in der laut  des Medien-Professor Henry Jenkins gilt:
"If it doesn't spread, it is dead."

Grund genug einen genauen Blick auf das Storytelling zu werfen. Es geht mir und Three-Headed Monkeys darum genau hinzusehen, wie Menschen Inhalte erleben und dramaturgische Mittel und Techniken zu nutzen, um emotionale Wirkung zu erzeugen.  
Gutes storytelling wird lebenswichtig. Denn im Internet konkurrieren Unternehmens-Stories direkt mit Hollywood, Blockbuster Games und allen Geschichten, die meine Freunde erzählen.

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