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Freitag, 30. Juli 2010

At the End of the Funnel: Adaptive Marketing

Über Twitter bin ich in der vergangenen Woche über zwei interessante Studien gestolpert, die sich mit der Zukunft des Marketings beschäftigen.

McKinsey rät in der Studie "Consumer Descision Journey" , den Kaufprozess nicht länger als einen linearen Funnel zu betrachten.



Denn gerade das Internet und Social Media habe offen gelegt, wie aktiv Menschen ihren Entscheidungen durch (online) Recherche aktiv bestätigen oder verändern. Darum schlagen Sie vor, den Kaufprozess vom Menschen aus als eine "Reise" zu betrachten.



Jeder Mensch verfügt über einen individuellen Bewertungshorizont (Initial Consideration Set) mit dem er seine Interessen und Bedürfnisse betrachtet. Lautstarke Push-Kommunikation kann ihn sicher für neue Produkte und Marken aufmerksam machen. Doch vor dem Kauf steht die aktive Evaluierung des Interesses. Und natürlich entscheidet dann das Erlebnis nach dem Kauf, wie Menschen künftig über Produkt und Marke denken und ob sie die gleiche Entscheidung noch einmal treffen würden.

Ich selber habe mir vor einiger Zeit ein ähnliches Modell entwickelt und beide Modelle mögen auf den ersten Blick banal wirken. Doch sie entfalten ihren Nutzen bei genauem Hinsehen. Die McKinsey Studie zeigt nämlich, dass für die einzelnen Phasen der Reise verschiedene Touchpoints für die Entscheidung wichtiger sind.


Doch wie stellt sich ein Unternehmen und/oder eine Agentur darauf ein, einen Menschen im Rahmen seiner Entscheidungs-Reise als Käufer zu gewinnen? Eine Reise, die an vielen verschachtelten Touchpoints entlang läuft, an die Menschen jeweils andere Erwartungen richten?

Hier setzt die zweite Studie von Forrester Research ein.

Unter dem Titel "The Future Of Agency Relationships" haben Sean Corcoran, Dave Frankland und Vidya Drego untersucht, welche neuen Anforderungen die postdigitale Welt an das Marketing und das Leistungsspektrum von Agenturen stellt.

Heute müssten sich Marketing-Abteilungen schneller denn je auf neue Kommunikationswege einstellen und immer öfter die gewohnten Wege der Push-Kommunikation verlassen. Soweit nichts neues. Auch die Autoren schließen sich dem allgemeinen Meinung an und sehen eine neue Ära im Marketing anbrechen. Diese Ära umschreiben sie mit dem schönen neuen Buzz-Word "Adaptive Marketing".

"A period in which marketers must become more adaptable as new channels and constructs for interacting with consumers flood the market that must be tied to the overall brand promise."

Adaptive Marketing, so die Studie, fordert von Unternehmen ihren Kommunikations-Fokus auf drei Feldern zu verändern:

From outbound to surround. Consumers tell us that the marketing that they are exposed to is irrelevant to their interests3 And now consumers can opt out of telemarketing, direct mail, and email; they skip TV ads; and they will publicly blow the whistle on unacceptable advertising practices. Marketers recognize this problem: 62% believe that their TV advertising is less effective than two years ago.4 As Larry Flanagan, CMO of MasterCard, points out, his organization is now “moving from decades of push strategy to a more holistic 360-degree consumer strategy” in order to keep consumers engaged.

From campaigns to experiences. In an Adaptive Marketing era, the old campaign mindset has to be put out to pasture, but most marketers and agencies still organize, sell, and service from a campaign mindset. The advertising ecosystem is ill-equipped to capture, analyze, and use insight about how to engage best with customers to improve their ongoing experience with the firm. As the former CMO at a global car rental company pointed out, “As media fragmented, agencies approached each channel the same way: as a new means of bombarding the consumer with our message. We found the quality of work declined over time while agencies floundered to layer on skills that just weren’t native to them.”

From segmented “audiences” to individuals. The days of reach and frequency as effective advertising metrics are on their last legs. But most agencies still apply broad segmentation strategies to new channels. Consumers don’t want to be “targeted” as an audience — they want to participate. Yet most marketers and agencies have a long way to go to fully embrace the notion of customer participation. As one senior marketer commented, “We’re keen to embrace social media, but there’s also a part of me that thinks that anyone with a keyboard is dangerous.”
Doch wenn sich die Zielsetzungen von Unternehmen verschieben, sind auch Agenturen gezwungen ihr Leistungsportfolio den geänderten Bedürfnissen anzupassen. Eine Herausforderung vor der Agenturen in der Vergangenheit immer wieder standen.



Dieser Rückblick macht auch deutlich, dass die Unterscheidungen zwischen PR, Werbung, Event, Online nicht naturgegeben ist. Was heute noch in vielen Köpfen als unumstößliche Trennung von Disziplinen gilt, ist aus den Bedürfnissen einer Marktphase gewachsen ist und ist somit nicht unumstößlich. Und wenn Unternehmen gezwungen werden ihre Aktivitäten ganzheitlicher zu betrachten, dann wirkt sich dieser Zwang auch auf die Agenturen aus.

In the Adaptive Marketing era, marketers will need to move seamlessly between digital, broadcast, and branded entertainment options and across earned, owned, and paid media options. This holistic approach to media will mean agencies that deal in this broader definition of media (e.g., media planning, interactive, and PR agencies) will blend together or compete as “interaction” agencies. Starcom MediaVest already describes itself as a “human experience” agency focusing on all forms of media, while social media agencies like the Digital influence Group start planning some paid media to go along with the earned media it creates through social experiences.

Allerdings werden sich Unternehmen fragen, wie man unter den Anforderungen des Adaptive Marketings den geeigneten Agentur-Partner findet. Wer ist der Richtige für den Job? Sind es Generalisten, ein Set von Spezialagenturen oder sogar ein inhouse-Team.

Die Autoren empfehlen diese Entscheidung entlang von drei I's zu treffen, die die Kompetenzen der Agenturpartner beschreiben:

Ideas: emotional connections that can be adapted to all touchpoints. The big ideas behind the “Mad Men”-era campaigns remain relevant because brands must still connect emotionally with their consumers. But digital experiences adapt faster. Consumer control and media fragmentation will require new approaches that help the message hang together wherever they are encountered.5

Interaction: ever-changing dialogue between brand and consumers. As marketing shifts to focus on pulling in customers, marketers need to rethink the interplay between paid, owned, and earned media.6 This requires marketers to find firms that can stay on top of the conversation wherever it is happening.

Intelligence: real-time insight into customer behavior. The volume and interdependency of data gathered in multiple fragmented channels provide an opportunity for marketers to learn more about their customers than at any time in the past. The challenge is to gather, analyze, and create actions as these insights materialize.
Grob zusammengefasst, kann ich zwei neue Entscheidungskriterien für die Agenturwahl aus der Studie ableiten:

1. Ist der Agenturpartner in der Lage, sich stets neuen Kommunikationsformen anzupassen?
2. Bringt er dabei das für das Unternehmen relevante Set an "Meta-Skills" für einen ganzheitlichen Blick auf die Lösung von Kommunikationsproblemen mit?

Und wieder klingt das auf den ersten Blick nach einem Allgemeinplatz.
Denn jede Agentur für sich in Anspruch nehmen, diese Felder zu besetzen.

Doch ich vermute, dass in den neuen Auswahlkriterien besondere große Chance für drei Agenturmodelle liegen:

1. Kleine autonome Konzeptionseinheiten und Freelancer-Netzwerke
Aufgrund ihrer Größe können sie günstig und projektorientiert Konzeptionsarbeit leisten. Sie sind flexibler und können sich wahrscheinlich schneller in neue Kommunikationsformen einarbeiten. Darüber hinaus sind sie in der Lage über Freelancer-Netzwerke schnelle Projekt-basierte Expertenteams zusammen stellen. Da sie in der kontinuierlichen Betreuung natürlich schwächeln, sehe ich diese Agenturform vor allem als Partner für strategische Innovationsprojekte.

2. Inhaber geführte Agenturen mit generalistischer Aufstellung.
Mittelständigen Agenturen, die statt auf Spezialisierung auf Diversifikation gesetzt haben und Kompetenzen aus verschiedenen Disziplinen unter einem Dach versammelt haben, werden nun belohnt.
Sie haben die Gelegenheit sich als Partner auf Augenhöhe neben den Marketingabteilungen zu positionieren - oder gegebenenfalls sogar als embedded agency im Unternehmen direkt zu arbeiten ohne den Overhead der großen Netzwerke. Sie trumpfen im Gegensatz zu den autonomen Einheiten mit ihren Produktionskapazitäten, stehen allerdings vor der Herausforderung die disziplinübergreifende Zusammenarbeit intern zu organisieren.

3. Außenseiter wie Design-Agenturen und Unternehmensberatungen

Mich hat die "Drei III Empfehlung" sofort an den von der global agierenden Design-Beratung IDEO propagierten Arbeitsprozess erinnert. Sie unterteilen ihre Arbeitsweise ebenfalls in drei III: Inspiration, Ideation und Implementation.

Und wenn man sich mit den großen Player dieser Branche (wie IDEO oder auch Frog-Design) beschäftigt, lässt sich feststellen, dass sie starke interdisziplinäre Intelligenz-Potentiale aufgebaut haben. Da Design-Prozesse genuin mit der Produktentwicklung zu tun haben, beginnen sie meist mit viel längeren, qualitativen Research-Phasen als in den meisten Werbeagenturen üblich.

Warum sollten die gesammelten Erkenntnisse über eine Zielgruppe aus dem Prozess der Produkt-Entwicklung nicht auch zur Vermarktung genutzt werden. Darüber hinaus scheinen von außen betrachtet die Berührungsängste zu wissenschaftlicher Forschung kleiner, das Interesse an effizienten Entwicklungsprozessen und Knowledge-Management höher und die Kreatitivität mindestens genauso stark.

Ähnliches gilt für Unternehmensberatungen. Sie können vor allem mit Kontakten in die obersten Führungsebenen und der Anziehungskraft für High-Potentials punkten. Und Agenturen sollten gewarnt sein, wenn Beratungen kreatives Potential aufbauen.

Agenturen hingegen, die ihr Geschäftsmodell und vor allem ihre Prozesse auf die Entwicklung einzelner Kommunikationsdisziplinen (PR, Online....) oder Produkten (Anzeige, Spot, Webseite) ausgerichtet haben, stehen vor einer Bewährungsprobe: Sie können ihr Spezialistenprofil schärfen mit dem Risiko künftig von anderen Agenturformen geführt oder gar zur Produktionsstätte degradiert zu werden. Oder sie bauen überdisziplinäre Kompetenzen auf bei gleichzeitiger Restrukturierung ihrer Arbeitsprozesse.

Doch wie das geht, kann keine Studie aufzeigen.

Quellen:
David Court, Dave Elzinga, Susan Mulder, and Ole Jørgen Vetvik (2010): The consumer decision journey, McKinsey Quarterly

Sean Corcoran, Dave Frankland, and Vidya Drego (2010): The Future Of Agency Relationships, Forrester Research



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