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Freitag, 22. Januar 2010

Auswahl, Erlebnis, Erfahrung - Eine "einfache" Folie für den Start der Social Media Strategie.

Meistens entstehen Erkenntnisse während man etwas ganz anderes tut.
Ich habe die letzten Stunden an einer Präsentation für einen Tourismuskunden bei Faktor 3 gearbeitet. Dabei ist mir die Idee für ein einfaches Modell zur Analyse von Inhalten, Marken und Produkten gekommen, das ich künftig für die Strategieentwicklung (insbesondere für Social Media) ausprobieren möchte.

Ursprünglich habe ich über diese beiden Fragen nachgedacht:
  1. Wie verändert Social Media das Hotelerlebnis eines Gastes?
  2. Wie kann ich diese Veränderung einfach visualisieren?
Mit Zettel und Stift bewaffnet, bin ich mental in die Vergangenheit gereist. Streng linear habe ich den Weg eines fiktiven Gastes vom Reiseanlass über die Auswahl des Hotels bis zum Einchecken nachgezeichnet bevor es Social Media gab.
In das entstandene "Hotel-Erlebnis-Script" habe ich dann eine zweite Spalte eingefügt und dort einige der Social Media-Aktivitäten eingetragen, die heute das Hotel-Erlebnis prägen: Bewertungsportale durchforsten, Twittern aus dem Hotelzimmer, Facebook in der Lobby etc.


Dabei ist mir ganz deutlich aufgefallen: Früher war die Zeit im Hotel (nach dem Check-In) ein "kommunikatives schwarzes Loch". Heute ist sie durch Social Media zur komplexen Dialogzeit geworden, die das Erlebnis entscheidend prägt.

In meiner Erinnerung konnte man früher vom Zimmer lediglich zuhause anrufen oder einen Fremden in der Bar ansprechen. Nun erlaubt die Konnektivität des Internets das eigene Erleben des Hotels permanent mit dem Bekanntennetzwerk zu sozialisieren. Das verändert die eigene Wahrnehmung und die meiner Freunde extrem. Ein Beispiel: Kann ich meinen Aufenthalt noch unbeeinflusst wahrnehmen, wenn der beste Freund zurücktwittert, warum man in einem so schlechten Hotel abgestiegen sei?

Allerdings hat mir die Linearität des Scriptes nicht gefallen. Schließlich wiederholen sich die Anlässe, ein Hotel zu buchen, im Laufe des Lebens.
So ist dieses Kreismodell entstanden. Es visualisiert nicht nur die Veränderungen. Es hat mir zudem mit zen-haftiger Klarheit die drei Phasen eines Hotelbesuchs vor Augen geführt hat: Auswahl, Erlebnis und Erfahrung.




Gut, habe ich im zweiten Moment gedacht. Jetzt habe ich mit viel Nachdenken einen einfachen Lern-Kreislauf in Power-Point aufgezeichnet, der sich für jeden Menschen zeichnen lässt - und der schon hundert mal gezeichnet wurde:
Wir haben ein Bedürfnis/einen Anlass eine Entscheidung zu treffen. Wir wählen (als soziale Wesen niemals unbeeinflusst) eine Option aus, nehmen das Erlebnis unserer Entscheidung wahr und machen eine Erfahrung, die uns bei der nächsten Auswahl (bewußt/unbewußt) steuert.

Doch in der Einfachheit dieser "Back to Basic"-Folie liegt auch ihr Charme. Das Modell lässt sich in Grundzügen auf jeden Inhalt, jedes Produkt, jede Marke und jeden Service übertragen.
An dem Modell lassen sich aktive und passive Kontaktsituationen mit Marke, Produkt und Inhalt ordnen (z.B. "In welcher Phase erfolgt der aktivste Dialog, werden die meisten Tweets abgesetzt?"). Weiterhin kann man mit dem Modell auch die gesammelten Mafo-Daten nach den äußeren und inneren Kontexte der Phasen aufgliedern.

Darüber hinaus stellt das Modell den Menschen in den Mittelpunkt - ohne seine soziale Vernetzung zu missachten. Und schon deshalb, glaube ich, lassen sich mit dem Modell genuine Social Media Anlässe herauskristallisieren. Es könnte also am Anfang jeder Social Media Strategie stehen und die Recherche bzw. den kreativen Prozess anleiten.

Und ganz nebenbei zeigt das Modell sehr anschaulich, dass sich "Marketing" nicht auf den Anlassmoment (Bedürfnis) und den Auswahlprozess beschränken sollte.

Im Zeitalter des Real-Time Kommunikation durch sozialen Netzwerken konzentriert sich ein Großteil des Dialogs auf die Erlebnisphase eines Menschen, die immer über das Social Web mit der Auswahl- und Erfahrungsphase seines gesamten sozialen Netzwerks verknüpft ist.
(Deshalb beschäftige ich mich als Planner auch immer wieder mit des Idee des Experience Designs.)

Unboxing Videos sind ein gutes Beispiel, wie die Erlebnisphase zu einer Kommunikationsphase wird. Sie stilisieren das Auspacken eines Produktes zum öffentlichen Fetisch.




Insgesamt hat mir das Model zwei Herausforderungen für Werbung und PR deutlich gemacht:

1. Es muss ein Ziel sein, das Erlebnis (und die Erfahrung) sichtbar in sozialen Netzwerken zu kanalisieren. Die voreingestellte Email-Signatur des iPhone lautet "Send with my iPhone". Ein gutes Beispiel dafür, wie das Verständnis der Erlebnisphase zu einer geschickten Marketing Idee geführt hat.

2. Das Modell hat mir sichtbar gemacht, dass sich Werbung und PR nicht mehr allein auf den Anlass und die Auswahlphase konzentrieren dürfen. Angelehnt an Amir Kassaeis Manifesto, denke ich, dass es immer mehr darum geht als "Creative Consultants" auch die Erlebnis- und Erfahrungsphasen im Umgang mit einem Produkt, Inhalt, Service durch emotionales Storytelling aktiv mitzugestalten.
Das heißt aber auch, dass sich Design und Marketing und Produktentwicklung weiter annähern werden müssen, um Produkten mit Ideen und Stories zu bewegenden Erlebnisse zu inszenieren, die sich positiv rumsprechen.
Apropos Manifest: Das Design-Magazin @Issue verfasste kürzlich ein "Experience Manifesto". Darin wird von Industrie Designern gefordert in Erlebnissen zu denken. Und einige der Forderungen ähneln denen von Kassaei.

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