Dieser Blog ist umgezogen!

Achtung!! Dieser Blog ist umgezogen. Ab jetzt schreibe ich auf http://growthbystory.de/.

Dienstag, 24. Juli 2012

#twitternwiecommunitymanager - Gedanken zum Community-Manager Sprech.

In den letzten Tagen flammte immer wieder der Hashtag #twitternwiecommunitymanager in meiner Timeline auf. Unter dem Hashtag wurden die immer gleichen Ansprache-Floskeln von Community Managern auf Markenseiten bei Facebook oder bei Twitter parodiert.


Ich hab herzlich über die kleine von Hendrick Rüsch (@HendricRuesch) und Jörg Leopold (@_jrg) losgetretene Aktion gelacht - und mich zugleich gefragt, warum sich so schnell ein Community-Manager-Sprech entwickeln konnte und wo er hinführt. 

These 1: Community Manager Sprech entsteht durch Kopieren. 

Ich gebe es zu meiner Schande zu: In meinen ersten Präsentationen zu Facebook habe ich auch  geraten so oft es geht "Offene Fragen" zu stellen und freundliche Begrüßungen zu formulieren, um einen Dialog mit den "Likern" aufrecht zu halten und Feedback zu erzeugen. 
Die Konsequenz mit der sich Begrüßungs-Flosken und Offene Fragen auf Facebook-Seiten abwechseln, zeigt dass diese "Regeln" funktionieren. Deshalb kopieren viele Community-Manager diesen Erfahrungswert von einander - ohne sich zu fragen, warum es funktioniert. Und die Seiten passen sich in ihrer Tonalität an. 
Der Erfolg scheint ihnen allerdings recht zu geben. Blickt man auf die Likes und Interaktionen, scheinen Begrüßungen und offene Fragen wirklich besser zu funktionieren, als jedes andere (ernst-gemeinte) Content-Angebot.

Warum eigentlich?

These 2: Phatische Kommunikation ist der Treiber 


Begrüßungsfloskeln und die meisten offenen Fragen lassen sich als "Phatische Kommunikationsakte" beschreiben. Was das ist? Hier kommt Wikipedia:
Phatische Kommunikation (phatic communication) bzw. korrekter phatische Kommunion (phatic communion) bezeichnet Sprechakte, die ausschließlich eine soziale Funktion erfüllen, im Gegensatz zu Informationsgesuchen, Mitteilungen, Befehlen usw.
Der Begriff der phatischen Kommunion geht auf den polnischen Anthropologen Bronisław Malinowski zurück, der den Begriff im Jahr 1923 prägte. Er definierte phatische Kommunion als „eine Art der Rede, bei der durch den bloßen Austausch von Wörtern Bande der Gemeinsamkeit geschaffen werden“[1].
Ein typisches Beispiel für phatische Kommunikation ist etwa die Aussage: „Das Wetter ist heute aber schön!“. Auch Grußformeln und andere Floskeln können zur phatischen Kommunikation gezählt werden.   http://de.wikipedia.org/wiki/Phatische_Kommunikation
Oder weit weniger wissenschaftliche: Es wird nur kommuniziert, um sich der Gruppe/Beziehung zu vergewissern.


Hallo hier bin ich. Ich bin noch da. Bist du noch da? Haben wir noch etwas gemeinsam? - 
Puh Glück gehabt. Der Chef bekommt tolle Zahlen. 


Bösartig formuliert werden Begrüßungen und offene Fragen schnell zu einem versteckten Schrei nach Liebe. Auf ein "Ich mag dich" erwartet man ein "Ich dich auch!"
Erfolgreich im Sinne der Interaktion sind diese Sprechakte, weil wir Menschen von Kindheit aus darauf getrimmt sind, auf solche sozialen Sprechakte kurz zu reagieren, um ebenfalls zu zeigen, dass man noch zur Gruppe gehört.


Es ist wie morgens ins Büro kommen. Das "Guten Morgen!" wird mehr direkte Antworten (oder Interaktionen) von Kollegen erzeugen als der ausführliche Bericht darüber, was man am Wochenende gemacht hat. Denn das interessiert nur einen engeren Kreis.  


Dazu kommt, dass für viele Menschen die Erfahrung immer noch neu ist, von einer Marke in eine phatische Kommunikation eingebunden zu werden - wirklich zu einer Gruppe zu gehören. 

These 3: Phatische Kommunikation ist endlich. 


Doch die Halbwertzeit von "Hey die Marke begrüßt mich!" ist wahrscheinlich nicht so lange, wie man denkt. Auch im Büro wird derjenige schnell enttarnt, der außer Guten Morgen und etwas Small-Talk nicht wirklich was zu sagen hat. 


Das bedeutet nicht, dass man Phatische Posts weglassen sollte. Sie sind für die Community wichtig und die Interaktionen, die sie auslösen, sind bei Facebook wichtig für den Rank der Seite.


Trotzdem finde ich schwierig, sich auf phatische Kommunikation zu beschränken.
  • Es untergräbt die Differenzierung der Marke, wenn sich die Tonalität der Dialoge nicht unterscheidet von anderen. 
  • Es entlarvt über kurz oder lang, dass man seine Nutzer nicht als Menschen betrachtet, sondern als Klick-Maschinen, um ein kindliches Aufmerksamkeitsbedürfnis in Likes und Shares zu bestätigen.   
  • Es entlarvt Unternehmen und Marken, die haben nichts zu erzählen haben und nicht in Content investieren.
  • Es entlarvt auch, dass der Community-Manager nicht wirklich was zu sagen hat. 
Heißt ihr Community-Manager Eliza?  


Wer keinen Content hat, der beschränkt sich auf Phatische Kommunikation. Und dann lässt sich zusätzlich prima Geld sparen, indem man den Community-Manager durch einen programmierten Antwort-Roboter ersetzt. 


Schon in den sechtziger Jahren hat Joseph Weizenbaum mit Eliza ein Programm geschrieben, dass einen Psychologen simuliert, der mit offenen Fragen therapiert. Und es funktioniert - zumindest eine Weile.
(Dieses nette Java-Applet stammt von Christian Drohm und gibt es auch in. Englisch (die ursprünglich englische Version aus den Sechzigern geht auf Joseph Weizenbaum zurück.
Umgesetzt von: Eckhard Etzold).


Klingt der Community Manager wie Eliza? 


Dann ist es vielleicht gut die Interaktionsrate mal für ein paar Minuten Interaktionsrate zu lassen und sich zu erinnern: Man kommuniziert mit echten Menschen. Die könnten es irgendwann mal satt haben immer gleich belabert zu werden. Eine Parodie wie #twitternwiecommunitymanager ist ein erstes Anzeichen dafür. 


Vielleicht ist es an der Zeit, über ein Inhalt und Geschichten nachzudenken. 

2 Kommentare:

  1. Das ist ein sehr inspirierender Blog-Eintrag, aber: "Einspruch, Euer Ehren".

    Die Analyse mit Malinowski ist brillant. Die Schlußfolgerung aber, dass phatische Kommunikation - im Community Management - endlich ist, teile ich nicht ganz.

    Warum?
    Vielleicht ist phatische Kommunikation genau der Basisbetriebsmodus, den digitalen Stämme (digital tribes) brauchen, damit ihre Mitglieder sich ihres Da-Seins versichern.

    Dass es darüber hinaus Inhalte und Geschichten braucht, ist unbestritten. Und auch, dass sich viele empatische statt phatischer Kommunikation wünschen, ist nachvollziehbar. Dass es aber ausgerechnet Community Manager sein sollen, die diese Aufgabe leisten, erscheint mir euphemistisch. Viel eher sehe ich die Gefahr, dass viele von ihnen - obwohl sie es besser könnten - durch die Eigenlogik der Marken, denen sie dienen, in die gewollte Rückgratlosigkeit von Call Center-Agenten getrieben werden.

    AntwortenLöschen
  2. danke für die erwähnung...:-)

    AntwortenLöschen