Es mag an dem grauen Herbstwetter, einem leichten Kater oder der tristen Atmosphäre des London GatwickAirport gelegen haben, dass ich gerade diesen Bestseller in England aus dem Regal gegriffen habe.
Auf jeder Seite laufen die Autoren Sturm gegen die positiven Zukunftsphantasien, die wir mit Internet, der Gentechnik, der Nanotechnologie oder Robotern verbinden. Und die geballte Negativität des Buches, herausgekotzt im Tonfall eines schlecht gelaunten Kneipenwirts, hat mich nicht nur einige Male laut loslachen lassen (was Engländer am Flughafen irritiert) sondern auch zum Nachdenken gebracht. Vor allem über die positive Kraft des negativen Denkens.
Klar, Optimismus ist gut. Laut diesem alten SPON-Interview ist Optimismus sogar gut für die Gesundheit. Und meistens bin auch ich ein ziemlich optimistischer Mensch - denke ich zumindest.
Trotzdem kann der Optimismus auch eine Falle sein. Zuviel Vertrauen in die Zukunft führt manchmal dazu, Risiken zu übersehen, den falschen Propheten zu folgen und/oder sich selbst zu überschätzen.
"A good Science Fiction author invents the car; a great Science Fiction writer comes up with the traffic jam." (Larry Niven)Negatives Denken unterscheidet nicht nur den guten vom schlechten Science Fiction-Autor, es hilft, um kritisch hinter die Kulissen zu sehen. Auf der vergangenen Playful Konferenz in London hat der finnische Designer Einar Sneve Martinussen gezeigt, wie schnell wir uns von viel zu optimistischen Zukunfstvisionen einwickeln lassen. Und nur ein wenig negatives Denken, macht schnell greifbar, dass jede neue Technik nicht nur Erleichterung sondern auch neue menschliche Probleme (sogar gesellschaftliche) mit sich bringt. Das zeigen diese beiden Videos sehr schön:
Die heile Welt der Zukunft von Microsoft.
Und hier eine etwas "negativere" in der nicht alles seamlessly funktioniert. Irgendwie symphatischer und glaubwürdiger.
A Digital Tomorrow from Nicolas Nova on Vimeo.
Letztlich hätte vielleicht sogar etwas negatives Denken dazu geführt, dass auch sehr optimistische Bankenmanager, die Finanzkrise früher wahrgenommen hätten.
Um das negative Denken zu üben, ohne in Depressionen und Weltenhass zu enden, gibt es ein paar schlaue Techniken:
Nobelpreisträger Daniel Kahnemann empfiehlt im Spiegel die "Premortem-Methode" :
"Einen sehr einleuchtenden Trick hat sich mein Kollege Gary Klein ausgedacht. Er ist für den Zeitpunkt gedacht, wenn eine Entscheidung schon unterschriftsreif ist. Kurz zuvor ruft man noch einmal ein paar der wichtigsten Beteiligten zusammen und gibt ihnen folgende Aufgabe: "Wir haben den Plan umgesetzt, das ist jetzt ein Jahr her. Das Ergebnis war ein Desaster. Schreiben Sie in fünf bis zehn Minuten auf, wie es dazu gekommen ist." (Psychologie: "Optimisten sind im Vorteil", Spiegel Online, http://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/psychologie-optimisten-sind-im-vorteil-a-835306.html)Oder man greift zum "Negativen Brainstorming"
"Negative (or Reverse) brainstorming requires a significant level of effort analysing a final short-list (rather the initial mass) of existing ideas. (see BulletProofing and Potential Problem Analysis ). Examining potential failures is relevant when an idea is very new, complex to implement or there is little margin for error. Negative brainstorming consists of a conventional BrainStorming session (or any other suitable idea-generation method) that is applied to questions such as: ‘What could go wrong with this project?’" (http://www.mycoted.com/Negative_Brainstorming)Zur kreativen Spitze getrieben, wird das negative Denken in dieser Idee aus Australien: Beim "Fuck This Jam" treffen sich Game-Designer, um ein Spiel in einem Genre zu entwickeln, dass sie hassen.
Die totale Ablehnung soll sie dazu zwingen Konventionen zu brechen.
"Fuck This Jam is a jam centered around the theme of making a game in a genre you hate. Through utter ignorance for conventions and hate for the established rules of a genre, beautiful things will happen."
Also es lohnt sich also ab und an mal den Motzkoffer zu öffnen. Oder schlicht etwas kritisch zu bleiben.
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