MIT Konvergenz Experte Henry Jenkins hat auf seinem Blog die Grundkonzepte von Transmedia Storytelling aufgelistet.
Transmedia Storytelling beschreibt er als den Prozess integrale Bestandteile einer Fiktion systematisch über verschiedene Medienkanäle verteilt zu erzählen, um ein koordiniertes und übergreifendes Unterhaltungserlebnis zu schaffen.
Dabei geht es nicht darum, die gleiche Geschichte in allen Kanälen auszubreiten (wie im Sinne einer 360 Grad Kommunikation). Vielmehr sollen sich die Inhalte ergänzen. Jenkins Lieblingsbeispiel für Transmedia Storytelling ist der Franchise rund um den Film Matrix. Hier erzählen Film, Comics, Computerspiel und Zeichentrickserien jeweils eigene Geschichten. Zusammen geben sie dem Konsumenten, der sie alle kennt, eine umfassende Erfahrung der fiktionalen Welt.
Transmedia Storytelling ist neben der äthetischen,dramaturgischen Betrachtung auch ökonomisch interessant. Innerhalb der "Geschenk-Kutur" des Web verbindet es zwei kulturelle Interessen:
Zum einen das Interesse der Medienproduzenten, aus einer Storyidee eine Bandbreite an Produkten entwickeln zu können. Zum Anderen das Interesse der Konsumenten, umfassender in fiktionale Welten eintauchen zu können. Konsumenten seien, so Jenkins, heute wesentlich aktiver und vertrauter mit nonlinearen Erzählweisen. Sie möchten aktiv an Inhalten partizipieren. Deshalb suchen sie wie Entdecker aktiv nach Querverweisen zwischen den transmedial erzählten Inhalten. Sie füllen die Leerstellen, die der Film oder das Computerspiel hinterlassen, diskutieren darüber und schaffen sogar eigene Inhalte. Es gibt ihnen das gute Gefühl zum Experten zu werden.
Deshalb liege das Erfolgsgeheimnis Transmedia Storytelling auch nicht darin, eine einzelne Geschichte zu entwickeln, sondern eine fiktionale Welt zu schaffen, die als Ressource für immer neue Geschichten diene. Im Fall von Matrix sei das die komplexer Zukunftsvision, in der Maschinen die Menschheit als Kraftwerke ausnutzen und in einer Computerwelt gefangen halten.
In seinem Buch Convergence Culture zitiert Jenkins einen Drehbuchautor, der das Konzept in wenigen Worten schlüssig zusammen fasst: "When I first Started, you would pitch a story because without a good story, you didn't really have a film. Later, once sequels started to take of, you pitched a character because a good character could support multiple stories. And now you pitch a world, because a world can support multiple characters and multiple stories across multiple media." (Seite 116)
Natürlich ist neben der fiktiven Welt die Qualität der daraus generierten Geschichten entscheidend. Denn nur wenn die Stories wirklich aufeinander abgestimmt sind und jede intelligent einen neuen Aspekt der fiktionalen Welt offen legen, behalten die Rezipienten ihre Aufmerksamkeit bei.
Meistens jedoch werde von Medienproduzenten nur im Sinne eines Licensing gedacht, d.h. die Inhalte in anderen Medien sollen einen Master-Inhalt (wie den Kinofilm) lediglich bewerben. Doch sobald ein lizensiertes Produkte nichts zum Erlebnis der fiktionalen Welt beitragen kann, werden sie vom Konsumenten meist als sinnfrei abgelehnt.
Wenn eine fiktionale Welt hingegen gut funktioniert, regt sie Konsumenten sogar an, eigene Geschichten zu erzählen. Jenkins verweist vor allem auf die Fan-Fiction, die zu Star Trek und Star Wars geschrieben und publiziert wird.
Für Marketing bietet das Konzept Transmedia Storytelling, meiner Meinung nach noch zwei weitere nützliche Denkansätze:
1. Im Sinne der Maßnahmen und Kampagnenplanung macht es deutlich, dass eine Botschaft, bzw. Geschichte nicht über alle Kanäle gleichlautend verbreitet werden muss. Wenn es der Kampagne gelingt eine Welt im Kopf des Konsumenten zu erzeugen, kann diese Welt mit immer neuen Geschichten gefestigt werden und den Konsumenten sogar zur aktiven Beteiligung bewegen.
2. Wenn man über Brand-Extensions nachdenkt, hilft der Transmedia Storytelling Ansatz dabei, zu bewerten, ob ein neues Produkt in die Brand-Range passt oder nicht. Dazu muss man sich lediglich vorstellen, dass auch Marken eine fiktionale Welt vermitteln. Nin lässt sich aus dem Trandmedia Storytelling Ansatz ableiten: Ein Produkt passt auch dann zur Marke, wenn es nicht die gesamte Markenwelt eines Unternehmens repräsentiert. Es muss jedoch einen signifikanten Teil zur Markenwelt beitragen, um akzeptiert zu werden. Ein Produkt hingegen, dass gänzlich außerhalb der Markenwelt liegt, wird wahrscheinlich abgelehnt werden.
Die Markenwelt von Apple ist ein gutes Beispiel. Sie dreht sich immer um Geschichten über kreative, digital orientierte und designverliebte Menschen. So überbrückt sie sogar ein auf den ersten Blick disparates Produktportfolio vom Music-Store über Laptops und iPhones bis zum Server. Apple-Frühsücksflocken hingegen würden wahrscheinlich als Geldmacherei von den Konsumenten abgelehnt werden. Oder täusche ich mich hier?
Schlauer Beitrag. Dank Dir dafür. Aus genau diesem Grund macht es Sinn, dass Marken und Agenturen auch einmal mit Redakteuren zusammen arbeiten. Ich habe gestern mit einer Freundin über Storytelling in Social Media diskutiert und festgestellt, dass der so oft zitierte Dialog zwischen Marken und ihren Kunden meist recht arm an Themen und immer noch zu voll mit Botschaften ist. Redakteure denken in Themen, Geschichten und Personen. Interessante Ergänzung und vielleicht eine Erleichterung im Finden der "richtigen" Social Media Tonalität einer Marke.
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