Der Kongress hat Journalisten und Web2.0 Entwickler zusammengeführt. In Workshops und Podien haben sie diskutiert, welche neuen Möglichkeiten das Web bietet, um Informationen und Geschichten attraktiver zu vermitteln.
Dem Schritt in die Onlinewelt angemessen, fand das Scoopcamp in der Ballin Stadt, dem Hamburger Auswanderermuseum statt. Und zufällig stand an der Wand des Museums sogar das Motto der Veranstaltung: "Haben Sie eine Geschichte?".
Allerdings ist der Artikel längst nicht mehr die einzige Form eine journalistische Story aufzubereiten. Geschichten sind heute auch interaktive Datenreisen. Das hat Adrian Holovarty in seiner Eröffnungskeynote gezeigt.
Der Amerikaner Holovarty bezeichnet sich selber als einen Journalisten, der seine Geschichten über Programmierung erzählt.
Sein Ansatz: Er betrachtet Geschichten nicht als einen abgeschlossenen Text. Für ihn ist eine Story ein Datensatz aus Ortsangaben, Personenangaben, Uhrzeiten etc..
Wenn diese Daten miteinander vernetzt werden, machen sie dem Nutzer nicht nur neue Aspekte eines Themas ersichtlich. Sie lassen sich immer wieder interaktiv zu neuen Geschichten bzw. Nachrichten visualisieren und sortieren.
Die Datenverwaltung macht es sogar möglich, Geschichten nachzugehen, die nur eine Hand voll Leute interessieren. So können Medien den Longtail des Journalismus erschließen.
Hier spricht Adrian über seine Vorstellung des Journalismus:
Am greifbarsten werden seine Ideen jedoch, wenn man durch sein Projekt Everyblock.com surft.
Everyblock.com ermöglicht es den Nutzern, sich Nachrichten (wie Verbrechensmeldungen) nachbarschaftsbezogen anzeigen zu lassen. Dazu zapft die Seite z.B. automatisch veröffentlichte Polizeidaten an.
Die klassischen Zeitungen hingegen sind, so Adrian sinngemäß, gewohnt diese Daten in abgeschlossene Artikel einzukapseln. Die Redaktionen haben noch nicht verstanden, dass es nicht darum geht ihre Inhalte online zu stellen. Erst die computergestütze Vernetzung von Daten und Artikeln schafft Mehrwerte für den Leser/Nutzer/Zuhörer/Zuschauer/ Bürgerjournalisten.
Als ersten Schritt empfiehlt er den Zeitungsmachern, sich von der Vernetzungsfülle bei Wikipedia oder der Internet-Movie Database inspirieren zu lassen. Dort sind alle Beiträge mit weiterführenden Informationen verlinkt. Der nächste Schritt kann dann sein, Daten durch Computerprogramme zu sammeln, damit sie in Infografiken überführt werden, bzw. auf Karten lokalisiert werden können.
Als Beispiel zeigte er die Seite "Faces of the Fallen" der Wahington Post. Hier sind die Schicksale der im Irak gefallenen US Soldaten gesammelt und interaktiv aufbereitet werden. Welchen Informationsgehalt allerdings ein RSS-Feed hat, der sich bei jedem Todesfall aktualisert, ist mir schleierhaft.
Der neue Journalist, so das sein Fazit, sei also kein Schreiber sondern ein Programierer. Er recherchiert nicht mehr. Statt dessen aggregiert er Daten und übt seine redaktionelle Kompetenz aus, indem er entscheidet nach welchen Kriterien die Daten sortiert werden sollen.
Wie dieser neue Journalismus nun im Detail aussieht wurde in den Workshops zu Hyperlokalität, Infografiken und User Generated Content debatiert.
Mich haben zwei Dinge an seinen Ausführungen, den Reaktionen des Publikums und den Gesprächen in den Workshops verwundert:
1. Die Verlagswelt scheint erst 2009 zu erkennen, dass sich Texte im Web verlinken lassen. Bis vor kurzem konnte das Redaktionssystem der dpa keine Links verarbeiten, die länger als 60 Zeichen sind. Das hat der stellvertretende Chefredakteur der dpa zugegeben.
2. Als nicht Journalist verstehe ich die komische Debatte um den Tod des Artikels nicht. Der Artikel wird nicht sterben wird. Er muss sich lediglich als Text öffnen und mit anderen Informationsdarstellungen vernetzen. So wie heute ein Bild zu den meisten Artikeln gehört, sind es morgen Links, Videos sowie interaktive Datenvisualisierungen und Karten.
Wahrscheinlich wird der Artikel sogar in Zukunft wichtiger! Denn erst die redaktionelle Kompetenz des Journalisten, schafft den nötigen Kontext für die Datenvisualisierungen und Lokalisierungen. Das ist wichtig, denn diverse medienwissenschaftliche Forschung weist darauf hin, dass Nutzer Infografiken, Kurven und Landkarten niemals neutral interpretieren können.
Schöne Zusammenfassung! Besser als die meisten die ich gelesen habe. Deine Fragen scheinen zu Main Points der Diksussion des Scoopcamps zu führen. Ich war ja leider net da!
AntwortenLöschenSchade hätte Holovaty gerne gehört!
Auf jeden Fall denke ich das der Artikel einfach nur "umgebaut" wird. die many to many und Netzwerkkultur die sich immer stärker rausschält im Netz wird vieles verändern und natürlich auch den Zeitungsartikel. Aber sterben wird er nicht, kenne einige die sagen sie sitzen lieber mit einer Zeitung und nem Kaffee als vorm grellen Bildschirmlicht...;)
Jedem da sseine, hauptsache Innovation und Zukunft atmen! Keine Angst vor Fortschritt!
Cheers
Jörn Hendrik