Aber welche Auswirkungen hat der kulturelle Wandel zur permanente Vernetzung auf die Erwartungen und das Erleben von Konferenzen?
Darüber diskutierten die Veranstalter von DLD (Heiko Hebig), transmediale (Steven Covats), c/o pop (Ralph H. Christoph) und der re:publica (Andreas Gebhardt) am zweiten Konferenztag in einem Nebenraum des Friedrichstadtpalasts. Im Zentrum ihrer Debatte standen die Themen Location, Networking, Verbreitung der Konferenzinhalte, neue Diskussionformen sowie digitale Feedbackkanäle.
(Der Konferenzgipfel auf der re:publica)
Location
Einig waren sich Panel-Teilnehmer, dass eine ideale Location heute über ein funktionierendes WLan verfügen muss. Das werde von den Teilnehmern erwartet und ein Ausfall, sei immer der größte Aufreger. Ironie des Schicksals, dass ausgerechnet die re:publica diese Erkenntnis, mit einem wackeligen Netz und den permanenten Beschwerden darüber, bestätigte.
Gleichzeitig sei es extrem kompliziert für Großveranstaltungen ein funktionierendes Netz aufzubauen. Selbst beim DLD, der, so Hebig, über ein Millionenbudget verfüge, gäbe es immer wieder Komplikationen. Kaum ein Teilnehmer wisse, wie groß die Belastung für ein WLan sei, sobald mehr als 1000 Teilnehmer versuchen darauf zuzugreifen. Zudem seien die schönsten Locations meist nicht für die Anforderungen an den Netzzugriff ausgerichtet. "Der Friedrichstadtpalast hat nicht mal einen eigenen Internetzugang", so Gebhardt von der re:publica. Hier müsse in Zukunft viel von den Betreibern getan werden, um attraktive Konferenzorte zu schaffen. Doch auf ein Hotel, Kongresszentrum oder TV Studio wollte trotzdem keiner der Diskutierenden freiwillig ausweichen. Die Atmosphäre sei schon extrem wichtig, erklärt Hebig. Deshalb habe der DLD die schwere Entscheidung getroffen, trotz des enormen Besucheransturms in der Münchner Innenstadt zu bleiben - auch wenn man deshalb Besucher ablehnen müsse.
Networking
Die Athmosphäre spielt besonders beim Networking eine entscheidende Rolle. Die Qualität einer Konferenz werde mehr durch ihre Besucher bestimmt, als durch Referenten und Technologien, findet Christoph. Sie sei sogar wichtiger als das WLan. "Ohne ein WLan erfahren die Leute, die nicht an der Konferenz teilnehmen, eben langsamer, dass es eine gute Veranstaltung ist. Ohne funktionierendes Networking, kommt beim nächsten Mal keiner mehr", so Christoph.
Aber ein erfolgreiches Networking erfordert ein ganzheitlich durchdachtes Veranstaltungskonzept. Wenn die Räume zum Unterhalten fehlen, erklärt Hebig, gehen die Leute eben ins Cafe um die Ecke. Deshalb sollten Veranstalter gerade die Gänge einer Konferenz intelligent bespielen und Gesprächsanlässe schaffen, die über das Essen hinaus gehen.
Darüber hinaus forderte ein Zuhörer die Veranstalter auf, Networking über die Veranstaltungsgrenzen hinaus zu denken. Gerade im Vorfeld einer großen Veranstaltung, bestehe das starke Bedürfnis mehr über die anderen Teilnehmer zu erfahren, um gemeinsame Termine zu machen. Hier werde das Potential von online vernetzten Communities noch deutlich unterschätzt.
Verbreitung der Konferenzinhalte
Die Konferenzinhalte für ein Webpublikum zu öffnen, hielten alle Panel-Teilnehmer für richtig und wichtig. Allerdings haben sowohl Hebig als auch Covats von der transmediale gemischte Erfahrungen mit Video Live-Streams gemacht. Aufwand, Kosten und Nutzen stünden heute noch nicht im richtigen Verhältnis, so Hebig. Auf einer Musikkonferenz sprechen zudem Urheberrechtsprobleme gegen ein Livestreaming. Sobald Musik im Stream auftauche bewege man sich in einer rechtlich gefährlichen Grauzone, so Christoph.
Angst davor, dass die Veröffentlichung von Inhalten im Web, dazu führen könnte, dass weniger Besucher die Konferenz vor Ort besuchen, haben die Veranstalter nicht. "Solange der virtuelle Handshake noch nicht erfunden ist, werden die Leute kommen, um sich zu treffen und Geschäfte zu machen", so Hebig. Anders sehe die Situation natürlich für kommerzielle Konferenzanbieter wie Management Circle aus. Deren verschulte Seminare muss niemand mehr besuchen, wenn er das Video gesehen hat.
Diskussionsformen und Feedbackkanäle
Podiumsdiskussionen und Vorträge werden auch künftig Konferenzen bestimmen. "Reden wird immer Reden bleiben", machte Covats deutlich. Allerdings habe die Interneterfahrung der Teilnehmer den Wunsch nach schnelleren und demokratischeren Redeformen gestärkt. Man wolle mehr mitreden, statt sich berieseln lassen. Doch sollten Diskussionsformen, die derzeit als besonders cool und interaktiv gelten nicht zum Selbstzweck werden. Weder könne jede Konferenz zum Barcamp werden noch jede Präsentation im Pech Kucha Stil durchgeklickt werden.
Vieles hänge eben vom Kontext und den Teilnehmern ab, meinte Hebig. Ihn hätten besonders zwei Veranstaltungen inspiriert. Zum einen das Geekcamp in Israel, dessen Programm erst vor Ort entwickelt werde. Zum Anderen die Kreativworkshops während des Burning Man, der leider völlig zu unrecht als Nackttanzwoche in der Wüste diffamiert werde.
Aus dem Publikum heraus wurden noch Lightning Talks vorgestellt. Ein Redeformat, bei dem ein einstündiger Slot innerhalb einer Konferenz zur freien Verfügung gestellt wird. In dieser Stunde kann jeder, der sich berufen fühlt, einen fünf minütigen Vortrag halten.
Hebig hat jedoch die Empfehlung ausgesprochen, solche Vorträge im Vorfeld zu scannen. Besonders gefalle Ihm der Arbeitsmodus der amerikanischen SWSX Konferenz. Dort würden die Redner ihr Thema online anmelden. Die Teilnehmer bestimmten dann im Vorfeld der Konferenz über ein Online-Voting, welche Themen sie wirklich hören wollen.
Auf den pointierten Einsatz neuer Redeformate mochte allerdings keiner der Teilnehmer verzichten. Gemeinsam sprachen sie sich sogar dafür aus, auch auf konservativen Veranstaltungen, wie den Münchner Medientagen, den Mut zu beweisen, die gewohnten Abläufe zumindest kurzzeitig zu brechen, um gegen das Einschlafen vorzugehen.
Das gleiche gelte auch für Digitale Technologien und Feedbackkanäle. Richtig eingesetzt können sie die bekannten Diskussionsformen beleben und bereichern. So habe es auf der letzten Transmediale ein Experiment gegeben, Redner aus Afrika via Skype in Diskussionen einzubinden, dass vom Publikum sehr gut angenommen wurde.
(Twitterwall auf der re:publica / Foto:Florian Schroiff auf flickr)
Bei der auf vielen Konferenzen bereits obligatorischen Twitterwall konnten sich die Teilnehmer zu keiner einheitlichen Meinung durchringen. Andreas Gebhardt sieht den direkten Feedbackkanal, den der Microbloggingdienst bietet, als Bereicherung. Das direkte Feedback könne sogar zu einer Podiumshygiene führen, denn Unwissenheit und schlechte Vorbereitung ließen sich nicht mehr kaschieren. Heiko Hebig hingegen betrachtet die Twitterwall skeptischer. Er habe die Erfahrung gemacht, dass sich Referenten von den ungefilterten Zuschauerkommentaren, die auf der Twitterwall erscheinen, verunsichert und sogar gekränkt fühlten. "Die sieht man dann beim nächsten Mal nicht wieder", so Hebig.
Deshalb sei seine Empfehlung, zwischen Podium und Twitterfeedback eine Moderation zu schalten, ähnlich einer TV-Diskussion. Dort werden Zuschauerfragen auch nur gefiltert in die Sendung gereicht. Der zweite Vorteil dabei: Das Publikum konzentriert sich mehr auf die Diskussion, statt die mehr oder minder intelligenten Kommentaren auf der Twitterwall mitzulesen. Andreas Gebhardt hingegen verlangte, dass sich die Referenten dem Veranstaltungsformat und eben auch einer Twitterwall anzupassen hätten. Doch nachdem sich in einer spontanen Befragung des Publikums, die Mehrheit gegen die Zwitscherwand ausgesprochen hatte, kündigte der überraschte re:publica-Veranstalter an, zu überlegen, ob diese Technologie nicht eher ins Foyer als in den Saal gehöre.
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