Mein Ziel: das ungewöhnlichste Filmfest in Deutschland.
Meine Mission: Eine transmediale Geschichte vorstellen.
Seit acht Jahren veranstaltet Baumarkt-Besitzer Dirk Roggan die Wendland Shorts. Das Filmfestival findet in einer alten Fachwerkscheune im Wendland statt. Umgeben von weiten Wiesen und unterbrochen von Hahnenrufen werden hier deutsche Kurzfilme und junge Filmemacher premiert.
Gerade die ländliche Umgebung schafft allerdings eine besondere Stimmung. Entspannt wie auf einer Urlaubsreise oder einer Klassenfahrt treffen Filmemacher, Produzenten, Branchen-Vertreter von TV-Sendern und Fördereinrichtungen mit dem Publikum aus dem Wendland zusammen.
Es wird zusammen gelacht und gegessen. Es werden neue Ideen ausgetauscht, über Geschichten gesprochen und natürlich jede Menge Filme geschaut.
Und natürlich bleibt auch die Verwunderung über die skurillen Seiten des Wendlands nicht aus.
Seit den Siebzigern ist das Wendland Rückzugsraum für alternative Lebensstile. Mein Schlafquartier war in einem zum Yoga-Zentrum umgebauten Fachwerk-Bauernhof untergebracht. Die herumliegenden Flyer werben für ein "Frauen im Fluss" -Seminar und andere esoterische Selbsterfahrungsangebote.
Das Wendland Shorts Festival veranstaltet neben dem Film-Wettbewerb auch das Autorencamp. Im Rahmen des Camps können drei Autoren ein fiktionale Idee zu einem Konzept ausarbeiten und einer Branchen-Jury zu pitchen. Dabei ist das besondere, dass für diese Konzepte sofort ein "Prototyp" produziert wird.
Regisseur Jan Georg Schütte und sein Team aus bekannten Schauspielern, Kameraleuten, Cuttern und Musikern produzieren aus den Ideen der Autoren innerhalb von einer Woche Teaser-Clips. Das ist in Deutschland einmalig. Meistens sehen Autoren erst am Ende einer Filmproduktion bewegte Bilder, die aus ihren Ideen entstanden sind - und das obwohl sich anhand von Videoclips schnell zeigt, ob ein Konzept trägt oder wie es weiterentwickelt werden sollte. Und ganz nebenbei ist es mit bewegten Bildern viel leichter ein Konzept zu verkaufen.
(Jan Schütte [li.] beim Filmschnitt | Foto: Weydemann Bros)
Da in diesem Jahr Transmedia-Serien Ideen gesucht wurden, hatte ich mich mit einer Idee um die Teilnahme beworben, die seit meiner Drehbuch-Ausbildung an der Filmschule Hamburg in der Schublade lag. Umso mehr hat es mich gefreut, dass ich in das Autorencamp eingeladen wurde.
Mit einer kleinen Verspätung stieß ich am Freitag zu den anderen beiden Campautoren - der Romanautorin Barbara Minden und der Journalistin Franziska Hessberger.
Die Autoren bei der Pitchprobe: Franziska, Barbara und ich. | Photo: Weydemann Bros |
Mein Konzept
Ich habe das Serien-Konzept "Power Up" vorgestellt - eine satirische Abrechnung mit dem Leistungs- und Selbstoptimierungdruck unserer Gesellschaft, der besonders auf Menschen lastet, die keine Arbeit haben.
Aus der Prämisse wird deutlich: "Power Up" ist kein Konzept für eine Markeninszenierung. Eher ein persönliches Experiment, um Transmedialität an einem fiktionalen Plot zu denken und zu in bewegten Bildern testen.
Die Story:
Das "Power-Up Camp" ist ein Bildungsangebot für Langzeitarbeitslose auf einem verlassenen Hof in Brandenburg. Hier soll der bekannte Neuro-Professor Hartmut Winkel Langzeitarbeitslose wieder fit für den Arbeitsmarkt machen. Um das Camp abzuschließen müssen die Teilnehmer mithilfe elektronischer Messung permanent Punkte sammeln, die sie für Yogaklassen, Bewerbungstrainings oder das Einhalten des Ernährungsplans erhalten. Wer einen Punkte-Stand von 20.000 erreicht, dem winkt ein Spitzenjob.
Allerdings sind nicht nur die Methoden des Camps grenzwärtig. Ein Teilnehmer, der arbeitslose Journalist Harry (52), findet heraus, dass an den Teilnehmern leistungssteigernde Medikamente in Form von Limonaden gestestet werden, die Winkel zusammen mit einem Getränkemulti auf den Markt bringen möchte. Als sukzessive Teilnehmer des Camps verschwinden, nimmt Harry den Kampf gegen Winkel auf. Er will das Camp auffliegen lassen. Dazu braucht er die Hilfe der anderen Teilnehmer - doch welchem Teilnehmer kann er nach permanenter Gehirnwäsche noch vertrauen.
Im Rahmen des Camps wurden vier Testszenen zu meinem Konzept gedreht.
Test-Szene 1: Prof. Winkel (Ole Schlosshauer) stellt das Camp vor. |
Test-Szene 2: Teilnehmerin Clara Greif (Pheline Roggan) stellt sich Prof. Winkel vor. |
Test-Szene 3: Das härteste Bewerbungscoaching der Welt. Mit Clara Greif, Harry (Oliver Sauer), Ricarda (Jessica McIntyre) und dem Psychologen Eberling ( |
Test-Szene 4: Eine Konfrontation zwischen Harry und Winkel. |
Doch wie wird dieses Konzept transmedial?
Im Kern meines Transmedia Konzepts steht eine TV-Miniserie von ca. sieben Folgen, die einen in sich geschlossenen Story-Bogen erzählt. Sie erzählt wie sich Harry gegen den Campleiter Winkel auflehnt. Vor der Welt des Camps spannt sich die Geschichte auf andere Medien auf.
Phase 1: Prequel
In der ersten Phase wird Prof. Dr. Dr. Winkel als künstche Satrire-Person aufgebaut. Durch Auftritte in Kleinkunst-Kabarett-Kontexten, in denen er seine Theorien zur Leistungsgesellschaft predigt, soll eine Kunstfigur geschaffen werden, die sich in der Realität bewegen kann (Nenne das den 'Atze- Schröder-Effekt'.) Ziel ist, eine erste Follower-Schaft in einer politisch, gesellschaftlich interessierten Zielgruppe aufzubauen.
Die Auftritte von Winkel führen zu seiner Webseite. Dort finden Besucher sein kurzweiliges Ebook "Warum das Hirn die Arbeit liebt". Besucher der Seite werden eingeladen auf ihren Webseiten und Blogs für das Buch zu werben, indem sie ein Video von Winkel verlinken oder einen Winkel-Banner auf ihre Seiten integieren.
Die Seite ist zusätzlich Rabbit-Hole in ein Alternate Reality Game. In dessen Verlauf legen die User die zwielichte Vergangheit der Figur offen. Winkel war bereits an Medikamenten-Test an Studenten in den USA beteiligt und ist eine Weile untergetaucht gewesen.
Phase 2: Aktive Vermarktung
Die Vermarktung der TV-Mini-Serie (bzw. der Youtube-Show) startet über einen fiktiven Aufruf, sich für das Camp zu bewerben: "Dein Schritt zum Erfolg". Der Aufruf wird über verschiedene Medien gestreut wird (Flyer, Plakate, Facebook-Anzeigen, Social Media, ggf. auch weitere Auftritte von Winkel).
Die Aufrufe führen zur fiktiven Facebook-Seite des Camps. Hier wird die TV-Serie als 'neutrale Doku-Soap' der Camp-Erfolge angekündigt, sowie die fiktiven Teilnehmer vorgestellt. Geleitet wird die Facebook-Seite vom fiktiven Pressesprecher Winkels.
Phase 3: Die Serie läuft.
Dann startet das "Power Up Camp"-Serie. In der Ästhetik einer Fictional-Reality-Soap verfolgen die Zuschauer die Entwicklung der Teilnehmer. Dabei werden die Hinweise von Folge zu Folge immer deutlicher, dass etwas in dem Camp nicht stimmt.
Wer den in den ersten Folgen gegebenen Hinweisen folgt, findet eine weitere Erzähl-Ebene unter Serie. Auf einem geheimen Blog berichtet der Journalist Harry über die Geschehnisse im Camp und seinen Ermittlungen. Er ist auch über die gesamte Laufzeit der Serie über Twitter erreichbar. So werden über Social Media die einzelnen Folgen vernetzt. Zunehmend laufen die Web-Erzählung und die Serien-Erzählung in einander über - bis es zum Showdown mit Winkel in allen Medien kommt.
Natürlich ist das Konzept noch etwas roh. Dennoch glaube ich fest, daran, dass es ein Publikum finden würde - weil Erzählungen mit "fiesen Prämissen" á la Breaking Bad gerade im Trend liegen und die Serie starke gesellschaftliche Themen aufgreift, die sich pressewirksam in Debatten um Leistung und Quantified Selfs inszenieren lassen.
Aus den Gesprächen, die ich im Anschluss an meinen Pitch geführt habe, kam allerdings noch eine Idee auf, um das Konzept zu inszenieren. Ehrlich gesagt lässt mich die nicht mehr los:
Was wäre, wenn man das Power-Up Camp als ein Live-Theaterstück inszeniert, das über mehrere Tage läuft, gestreamt wird und den Eingriff durch das Netzpublikum erlaubt. Eine Art konzentriertes Live-ARG.
Was denkt ihr?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen