Die kommenden Wochen bin ich immer Dienstags in der Windows 7 - Nerd Garage von Microsoft zu finden, die durch deutsche Universitäten tourt. Dort halte ich Kreativ-Workshops für Studenten und erkläre ihnen, wie sie mit Kreativtechniken ihre Ideenfindung verbessern. Denn viele große Ideen sind in einer Garage geboren worden.
Der Prozess der Kreativität fasziniert mich schon lange. Ich habe darüber immer wieder Posts auf diesem Blog geschrieben und vor zwei Jahren einen langen Artikel zusammen mit Faktor 3 Vorstand Stefan Schraps verfasst.
Um so erstaunter bin ich immer wieder, dass gerade Institutionen, die von Kreativität leben so wenig Zeit darauf verwenden, diesen Prozess zu verstehen und zu optimieren. Das gilt leider sowohl für Agenturen als auch für Universitäten.
Statt Leuten Techniken an die Hand zu geben, die ihre Kreativität inspirieren, werden kreative Prozess oft mystifiziert: In Universitäten wird der Glaube an den einsamen, genialen Schreiberling gepflegt, der in der Bibliothek seiner Textgliederung folgt. Und in Agenturen verschwenden im Glauben an die Kraft von Teamwork und kreativem Chaos lieber Zeit in endlosen "Brainstorming-Meetings" mit "ausdenken" oder rumdenken", statt einem Prozess zu folgen.
Dabei gibt es Kreativ-Techniken für beinahe jede gedankliche Herausforderung. Egal ob man ein Produktidee, eine Werbeidee oder das Thema für die nächste Hausarbeit sucht. Egal ob man alleine oder im Team arbeitet.
Die Hauptsache ist, sich der Fragestellung klar zu sein, zu der man eine Idee sucht.
Dann kann man mit Kreativ-Techniken prima arbeiten.
Und allein dieses Wiki listet viele Methoden auf,
um die Ideenfindung produktiver zu gestalten: http://www.mycoted.com/Category:Creativity_Techniques
Um so mehr hat mich die Anfrage von Microsoft gefreut, im Rahmen der Windows 7 Roadshow auf ein das Bedürfnis von Studenten einzugehen, sie in Sachen Kreativität zu coachen.
In den 90 Minuten Workshop erkläre ich kurz den Kreativprozess. Ich mache darauf aufmerksam, wie wichtig es ist zunächst möglichst viele Ideen anzustreben und sich nicht zu früh gedanklich zu beschneiden. Im Gegensatz zum Alltag gilt während der Ideenfindung der Grundsatz:
"Ich kümmere mich um Quantität, dann kommt die Qualität von ganz alleine!"
Das lässt sich bei am Beispiel der Filmproduktion am deutlichsten zeigen: Um 90 Minuten Film zu machen, werden oft viele Stunden Material gedreht und verworfen.
Anschließend mache ich deutlich, dass die meisten Ideenblockaden - die berühmte Angst vor dem weißen Blatt - meist von eigenen Emotionen wie Ehrgeiz, Angst und Stress genährt wird. Und gerade hier helfen Kreativtechniken, die negativen Emotionen der eigenen Kreativität gegenüber zu überwinden. Sie verändern die Aufgabe und zwingen den eigenen Perfektionismus runterzuschrauben.
Natürlich sind sie keine Garantie für eine gute Idee geben. Aber Kreativtechniken erhöhen sie zumindest die Chancen eine Idee zu finden.
Ganz konkret üben wir in dem Workshop drei Techniken, die man mit dem Computer gut umsetzen kann:
1. Technik: Fokus Writing (manchmal auch Brain-Writing genannt)
Fokus Writing hilft einen Eintsieg ins Schreiben zu bekommen. Es ist die direkteste Variante die Angst vor dem weißen Blatt zu überwinden und mutig die ersten Gedanken oder Ideen zu Papier zu bringen.
Und das funktioniert so:
Man öffnet seine Textverarbeitung (wie Word) und blendet die Symbolleisten aus, damit einen nichts vom Schreiben ablenkt. Dann schreibt man für 5min alles auf, was einem zu einer gestellten Fragestellung einfällt auf. Mit dem Ziel den Schreibfluss nicht zu unterbrechen.
Dabei gelten zwei Regeln:
Löschen ist tabu!
Die Rücktaste darf unter keinen Umständen betätigt werden. Auch nicht, um Wörter zu korrigieren.
Der Hintergrund: Seit der Schule sind wir auf ordentliche Rechtschreibung trainiert. Das führt dazu, dass wir gleichzeitig kreativ sein und ein ordentliches Ergebnis abliefern wollen. Doch Kreativität und Überarbeitung sind zwei getrennte Prozesse. Und leider denken die meisten Menschen deshalb beim Schreiben mehr über die Rechtschreibung nach, als über die Ideen, die sie aufschreiben. Doch selbst ein Text mit sehr vielen Tippfehlern ist schnell korrigiert.
Umherschauen und Pause machen ist verboten.
Jeder kennt das Phänomen. Sobald einem beim Schreiben für zwanzig Sekunden nicht einfällt, hebt man den Kopf und blickt in der Gegend herum. So als suche man nach jemandem, der einem den nächsten Einfall ins Ohr flüstert. Oder viel schlimmer: Man klickt rüber zu Facebook.
Beides bricht den Fokus. Man möchte nicht weitergehen. Bösartig formuliert hat man entweder Angst vor den Ideen, die kommen könnten oder man ist so selbstzufrieden, dass die Einfälle bis hier hin schon ausreichen. Doch die Erfahrung zeigt, dass die guten Ideen stets nach dem ersten Gefühl von Ideenlosigkeit eintreffen.
Wenn also das Gefühl eintritt, dass einem nichts einfällt, ist es besser drei mal hintereinander zu schreiben "Mir fällt nichts ein" als den Schreibfluss zu unterbrechen. Ich gehe jede Wette ein, dass der Schreibfluss dann wieder einsetzt.
2. Technik: Chat-Storming
Diese typische Brainstorming Situation kennt jeder: Acht Leute sitzen um einen Tisch herum. Doch statt neue Ideen zu finden, wird gestritten. Jeder Teilnehmer hängt an seiner Lieblingsidee und versucht sie zu verteidigen. Die lauten Charaktere (die nicht immer die besten Ideen haben) setzen sich durch, die leisen Charaktere schlucken ihre Gedanken herunter. Nach einer Stunde bricht man das Meeting Ideenlos ab.
Diese Situation lässt sich mit einem einfachen Trick umgehen: Man zwingt die Teilnehmer in ein Chat-Programm (wie den WinLive Messenger). In den Chat dürfen für zehn Minuten nur Antworten/Ideen zu einer zuvor gestellten Frage geschrieben werden. Bewertungen oder Diskussionen sind tabu.
Der Vorteil: Alle Teilnehmer haben die gleiche Lautstärke und kein Gedanke geht im verbalen Stellungskrieg verloren, weil er im Chatprotokoll erhalten bleibt. Und wenn die Chat-IDs anonym vergeben werden, wird sogar der Mut erhöht, sich über Hierarchien hinweg zu setzen.
3. Make an Ad
Eine gute Idee lässt denjenigen, der sie hat, sofort ins Schwärmen kommen. Sie löst hunderte Gedanken aus, wie sie am Besten umzusetzen wäre. Und egal ob Produktidee oder Hausarbeit - schnell geht in der Begeisterung der Blick für das Wesentliche verloren.
Hier kann es helfen, für seine eigene Idee eine klassische Werbeanzeige zu skizzieren.
"Wie würde eine Werbung für meine umgesetzte Idee aussehen?"
Diese Frage zwingt einen dazu auf begrenztem Raum die Features und Bedürfnisse hervorzuheben, die wirklich wichtig sind.
Und darüber hinaus, steckt in einer solchen Anzeige (z.B. für eine Hausarbeit) auch eine stark motivierende Kraft: Über den Bildschirm gehängt, erinnert sie den Ideen-Umsetzer daran, was er schaffen will.
In den bisherigen Workshops entstanden so spannende Ideen u.a. für das Handy der Zukunft:
[Kleiner Disclaimer: Diese Kreativtechnik führt sich natürlich ad-Absurdum, wenn man die Idee für eine Werbeanzeige sucht...;-) Aber dann gibts andere!]
Wer jetzt noch mehr Futter zu dem Thema braucht, dem empfehle ich diese drei Bücher:
- Gam estorming (2011) von Dave Gray u.a.
- ideaspotting (2006) von Sam Harrison
- Wie man sich die Welt erlebt (2011)von Keri Smith
- Make IDEAS Happen (2010) von Scott Belinsky
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