Dieser Blog ist umgezogen!

Achtung!! Dieser Blog ist umgezogen. Ab jetzt schreibe ich auf http://growthbystory.de/.

Dienstag, 26. Oktober 2010

What's a storytelling plattform, anyway? - Ein Blick auf projeqt.com

Die selbsternannte "Creative Storytelling Plattform" projeqt.com ist mir in den vergangenen Tagen immer wieder auf Twitter begegnet.

projeqt \ how great stories are told from projeqt on Vimeo.

Ich finde project wegen aus zwei Gründen spannend: Zum einen wegen des technischen Know How der Plattform. Zum anderen wegen des Produktversprechens, eine kreative Storytelling Plattform zu sein.

Die Idee und die Umsetzung für projeqt stammen von der US-Werbeagentur TBWA. Mit projeqt hat die Agentur nicht nur das Content Management System für ihre neue Webseite entwickelt. Vielmehr hat TBWA mit projeqt ein Kommunikationsprodukt vorgestellt, dass die Beschäftigung der Agentur mit Cross-Plattform Design und HTML 5 eindrucksvoll belegt. Und in Zukunft soll projeqt als offene Blog-Plattformen sogar anderen Usern offen stehen.

PSFK.com schreibt:

Responding to the creative, advertising and marketing community mantra to tell better and more engaging stories, TBWA has launched Projeqt, a “creative storytelling platform.” Projeqt provides users (currently only TBWA employees) with a multi-media and social media-driven vehicle in which to capture and tell their complete story. The site was built in HTML5 and is device-agnostic, allowing for mobile phone access.

While Projeqt is currently available primarily to TBWA employees, the wider creative community can sign up for a beta account. Beyond being an interesting Content Management System (CMS) – it also powers the relaunched TBWA Worldwide website. Projeqt is also a step towards helping the advertising and marketing world better tell their own stories to the industry by showcasing not only the imprint it has made on behalf of its brands across the web (and off), but the creative talent that resides in their offices – whom are capable of creating their own stories. Projeqt aims to provide the technology and tools by which to more seamlessly do that.

Doch genau das Versprechen eine kreativen Storytelling-Plattform zu sein, macht mich skeptisch. Für mich klingt mir der Claim "How great stories are told" nach Overpromise.

Denn je länger ich durch projeqt browse, desto mehr werde ich das Gefühl nicht los, dass man mehr über die echt gelungene HTML 5 Umsetzung nachgedacht hat, als über die Kunst eine spannende Geschichte zu erzählen.

Diese Gedanken begleiten mein Gefühl:

-1-

Wer sich mit Geschichten beschäftigt merkt schnell: Die eine Plattform gibt es nicht.

Alles kann zur Storytelling Plattform werden. Überall dort, wo Menschen Zeichen benutzen, um sich auszutauschen, entstehen Geschichten. Und weil wir Menschen die Bedeutung unserer Umwelt selber konstruieren, können wir alles um uns herum nutzen, um Geschichten entstehen zu lassen.
Diese Fähigkeit wird nirgendwo so gut dargestellt, wie in der Eröffnungssequenz von Toy Story:



Ich glaube daher, dass man in Netz keine "Storytelling Plattform" braucht. Viel wichtiger ist den kindlichen Spieltrieb zurück zu erobern, die unendlichen digitalen Möglichkeiten für das Erzählen zu entdecken.

Natürlich gibt es technische Plattformen, die uns für kurze Zeit den Atem stocken lassen. Doch letztlich ist es mit projeqt wie mit dem 3D Kino. Sobald wir an die Effekte gewöhnt haben, wird der technische Eye-Candy langweilig. Dann halten uns nur Filme über 90 Minuten wach, die uns als Mensch wirklich berühren.

Und wenn eine Geschichte diese emphatische Verbindung zum Publikum aufbaut, wenn sie Gefühle weckt - dann tritt die Plattform in den Hintergrund.

Auf die Frage, was die beste Geschichte sei, die er je geschrieben habe, antwortete Ernest Hemmingway:

"For Sale, Baby Shoes, Never Worn."

-2-

Und deshalb leben "Great Stories" nicht von Slides und großen Bildern.

Böse fomuliert ist projeqt sogar die digitale Verbeugung der klassischen Werbewelt vor ihren Lieblings-Tools: Dem Plakat, der Pappe und der Power Point Präsentation.



Die Inhalte, die man derzeit auf der Webseite durch klicken kann, wirken wie Portfolio-Präsentationen sehr talentierter Grafiker. Sie haben ohne Frage einen hohen ästhetischen und unterhaltsamen Wert und die Seite eignet sich ausgesprochen gut, um "Projekte" zu dokumentieren.




Doch die Erzähl-Tiefe der Inhalte liegt auf dem Niveau eines Coffee-Table Books, das man linear durchblättern kann - oder eben digital durchklicken.

Im "Durchklicken" scheint mir sogar der Kerngedanke der Plattform liegen.
Nur frage ich mich, ob hinter dem linearen Slide-Show Konzept sich nicht die Annahme versteckt, dass User nur eine kleine Aufmerksamkeits-Spanne haben.
Das stimmt sicherlich für die Werbung, die Menschen im Alltag ungefragt "belästigt" - doch es gilt nicht für Geschichten, denen sich Menschen viele Stunden widmen.

Persönlich glaube ich nicht daran, dass es auf Dauer funktioniert, die alten Tools in HTML5 zu verpacken und als Storytelling zu verkaufen. Zumal die Diskussion über Storytelling im Netz in eine ganz andere Richtung geht: Auf Events wie der Tedx Transmedia wird diskutiert, wie man eine Geschichte entwickelt, die über verschiedenste Plattformen hinweg ihr Publikum dauerhaft fesselt.

Doch ich möchte nicht zu hart mit projecqt ins Gericht gehen.
Sobald andere User die Plattform benutzen können, wird sich beweisen, ob projeqt zum Storytelling einlädt. Und weil ich gute Geschichten liebe, lasse ich mich sehr gerne widerlegen.

Bis dahin möchte ich auf einen ganz tollen Post der Autorin Maike Gosch verweisen. Auf der Recampain 2010 hat sie in einem Vortrag die Grundelemente einer guten Geschichte (Spannung, Empathie und Struktur) erklärt: Geschichten, Spiele und Kampagnen von Maike Gosch

Aus ihrem Vortrag stammt auch diese Hollywood-Regel, die gegen das ästhetische Slide-Storytelling im "Durchklick-Modus" spricht:

"Bring sie zum Lachen, bring sie zum Weinen, lass sie WARTEN."

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen