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Dienstag, 16. Februar 2010

Facebook-Fan Conversion. Gedanken zur Facebook-Strategie in der Filmvermarktung.

Die Entscheidung eine Facebook-Seite einzurichten, ist immer mit der Frage verbunden, wie viele Fans realistisch zu erwarten sind.

Denn nichts ist enttäuschender für einen Kunden und die Agentur, wenn die Facebook-Seite verweist bleibt, oder sich die anvisierte Fan-Reichweite nicht einstellen will.

Genaue Fan-Zahlen werden sich wohl nie prognostizieren lassen. Denn Facebook Nutzer entscheiden stets freiwillig und von vielen Faktoren abhängig, ob sie Fan eines Produkts oder einer Marke werden. Doch mit etwas Beobachtungsgabe lässt sich zumindest ein ungefähres Bauchgefühl entwickeln. Deshalb macht es Sinn in regelmäßigen Abständen nachzusehen:
  • Research: Wie viele Fans haben die Facebook-Seiten von Konkurrenten, erfolgreichen Marken oder Unterhaltungsprodukten ?
  • Interpretation: Welche Umstände mögen zu den Fanzahlen geführt haben?
  • Insight: Was lässt sich über das Produkt, die Marke, die Branche und darüber hinaus aus den Zahlen lernen?

Ich habe in der letzen Woche ein ganz besonderes Produkt vorgenommen und auf Facebook untersucht: Film

Warum Film?
Filme sind ein hochemotionales Produkt. Sie haben einen hohen Unterhaltungswert und sind ideale Objekte über die man in sozialen Medien diskutieren kann. Darüber hinaus gibt es bei Filmen zumindest für einige Menschen auch Gründe im Vorfeld des Kinobesuchs Facebook-Fan zu werden. Zum Beispiel, wenn man Genre und Geschichte spannend findet, für die Schauspieler schwärmt oder sich für die Musik begeistern kann. Noch dazu werden gerade Blockbuster heftig beworben.

Research

Am 9.02.2010 habe ich die aktuellen Besucherzahlen der Top 10 Filme in Deutschland mit den Fanzahlen der dazugehörigen Facebook-Gruppen verglichen.

Unter der Annahme, dass wahrscheinlich jeder Facebook-Fan den Film gesehen hat, habe ich eine stichprobenartige Conversion-Rate berechnet:
FanConversion = (facebook-fans*100)/Besucherzahl_Kino.
Für Avatar hat mich das Ergebnis umgehauen. Nach acht Wochen Spielzeit und über 8 Millionen Kinobesuchern, haben sich auf der deutschen Facebook-Seite des Films lediglich 25.767 Fans versammelt.

Aber auch die anderen Zahlen sind interessant: Kinderfilme wie"Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen" (79 Fans) ,"Vorstadtkrokodile" (526 Fans) oder "Alvin und die Chipmunks" (5 Fans) haben derzeit auf facebook derzeit keine Relevanz.

Zu dem Bushido-Film "Zeiten ändern dich" bekannten sich hingegen in der der Startwoche 27641 Fans.
Das entspricht bei 305.095 Kinobesuchern in den ersten sieben Tagen einer Conversion-Rate von knapp 9%. Das zeigt die Zugkraft von Bushido. Doch die hohe Conversion Rate muss sich erst über die Laufzeit des Films behaupten.

Ich habe die Vermutung, dass sich das Fanwachstum in einer ähnlichen Wellendynamik ausdrückt, wie die Zugriffe auf ein Youtube Video.




In den ersten Tagen finden sich die wirklich interessierten Fans zusammen, danach folgt der Long Tail.

Auch der Film "Verdammnis" kommt in der Startwoche mit 102.205 Zuschauern und 2.359 Facebook Fans auf eine Conversion Rate von über 2%. Auch hier bleibt abzuwarten, wie der Film sich weiter entwickelt.

Soul-Kitchen war zur Stichprobe in den Charts nicht mehr vertreten. Doch aus den Vorwochen-Charts lies sich ablesen, dass Fatith Akins Komödie während der sechswöchigen Spielzeit 947.742 Zuschauer ins Kino zog. Bei 17.160 Facebook-Fans immerhin eine Conversion-Rate von etwa 1,8%. Völlig abgeschlagen blieb "Sherlock Holmes" zurück. Er bewegte lediglich 223 Fans auf die deutschen Facebook-Seite des Films.

Allerdings darf man sich von den Prozentzahlen der Conversion Rate nicht täuschen lassen.
Mit 25.767 Fans hat Avatar Direktkontakte in der Größenordnung einer Kleinstadt angesammelt, die zum DVD-Release direkt angesprochen werden können.

Insgesamt scheinen sich die erfolgreichsten Filme auf Facebook derzeit bei mittleren fünfstelligen Fanzahlen einzupendeln. Gleichzeitig deutet der Ausbruch von Sherlock Holmes in der Stichprobe darauf hin, dass im Kino erfolgreiche Filme auf Facebook "floppen" können. Umgekehrt jedoch zeigt sich, dass Soul Kitchen derzeit Facebook-affiner zu sein scheint als Avatar, zumindest wenn man das Verhältnis Fans zu Besuchern betrachtet.

Jedoch können die Facebook-Fan-Zahlen nie ganz sicher erhoben werden. Gerade bei US-Produktionen konkurrieren die Facebook-Seiten der einzelnen Länder, in denen der Film läuft, direkt miteinander.
Wenn die englische Sprache kein Problem ist, gibt es wenig Grund kein Fan der US-Seite zu werden. Zumal man dann vor seinen Freunden auf Facebook noch "cineastisches Gespür" beweisen kann ;-).

Meine Zahlenspielereien habe ich auf Google Docs abgelegt und bin gespannt auf eure Deutungen: http://spreadsheets.google.com/ccc?key=0AoXsyJfa-SvAdFR1S2ZSTElobWF0ZDlsb1l5QVF4NXc&hl=en

Interpretation

Auf den ersten Blick fand ich die Fan-Zahlen im Vergleich zu den Besucherzahlen erschreckend gering. Habe ich von Facebook (oder dem Hype um Facebook) zuviel erwartet?

Vielleicht bildet Facebook in so fern das Leben ab, als dass sich nicht jeder, der einen Film gesehen hat anschließend zum Fan erklärt. Für viele Filmbesucher ist Kino ein Konsum-Akt, der an der Kinokasse beginnt und beim Verlassen des Kinos endet.

Zudem wird wahrscheinlich nur der ein Facebook-Fan, der sich für den Film begeistert und bereits auf Facebook registriert ist. Ein Blick auf die Facebook-Seite von Avatar lässt sogar vermuten, dass die meisten Facebook-Fans erst Fan geworden sind, nachdem sie den Film gesehen haben. Die Pinnwand-Aktivität der Avatar Facebook-Seite ist voll von kurzen Kritiken, die nach dem Film abgegeben wurden. (Mir erscheint das logisch, denn wer wird schon Fan von etwas, dass er nicht kennt.)



Vor diesem Hintergrund glaube ich nicht, dass man jemanden dazu bewegen kann, sich bei Facebook zu registrieren, nur um Facebook--Fan eines Films zu werden.

Gleichzeitig gibt der Akt der Fanwerdung, der Klick auf den Button "Ein Fan werden" den Facebook-Fans eine ganz andere Wertigkeit. Sie sind kein anonymer Käufer einer Kinokarte mehr, die nach dem Kinobesuch wieder unsichtbar werden. Die Facebook-Fans haben ihr Interesse an dem Film aktiv ausgesprochen und sind über die Plattform individuell adressierbar. Sie sind vom Kontakt zum "Lead" geworden, der aktives Interesse an einem Angebot bekundet hat. Für die Filmbranche, die ihren Erfolg hauptsächlich nach der Masse der verkauften Kinokarten misst, ist der Direktkontakt eine relativ unbekannte Größe. Und aus Gesprächen mit Filmleuten habe ich erfahren, dass man oft nicht so recht weiß, was man einem Direktkontakt anderes als eine Kinokarte verkaufen soll. Die die meisten Facebook-Fans leider bereits gekauft haben.

Insights

Mein kurzes Eintauchen in die Facebook-Film Welt hat mir gezeigt, dass sich Blockbuster derzeit glücklich schätzen können eine mittlere fünfstellige Fanzahl um sich zu scharren.

Das macht deutlich, dass eine Facebook-Seite kein kurzfristiges Tool ist, um auf virale Reichweite und damit höhere Besucherzahlen zu hoffen.
Es gibt zwar eine unsichtbare Streuung von Empfehlungen, denn sobald ein Facebook Nutzer Fan einer Seite wird, werden seine Freunde kurz informiert.

Aber ich glaube man kann eher folgendes erwarten:
Mit der Aufmerksamkeitswelle des Marketings im Vorfeld des Films und während der ersten Wochen der Spielzeit lassen sich "nur" eine gewisse Zahl von Kontakten abschöpfen, deren Interesse an dem Film so groß ist, um freiwillig in Fans zu konvertieren.

Um so essentieller ist es, zwischen Werbekontakten und Direktkontakten auf Facebook zu unterscheiden. Die klassischen Werbeaktivitäten im Vorfeld eines Films bleiben wichtig, um Aufmerksamkeit zu schaffen. Sie haben stets den Nachteil, dass die Kontakte anonym bleiben und sich die wahren Fans nicht zu erkennen geben. Facebook hingegen erlaubt einen eigenen kleinen Fanclub aus Direkt-Kontakten zu entwickeln.

Daraus erwachsen zwei strategische Alternativen, wie die Filmbranche Facebook nutzen kann:

1. Die Fanclub Strategie mit Fokus Nachvermarktung

Die Fanclub-Strategie bedeutet, eine Facebook-Seite als Sammelplattform für bereits begeisterte Zuschauer zu betrachten. Ziel ist, einen direkten Kontakt zu den Besuchern aufzubauen, die für die Nachvermarktung interessant sind, weil die ein besonderes Interesse an dem Film geäußert haben.

Die Facebook-Seite wird im Kern eingerichtet, um Besuchern nach ihrem Kinoerlebnis ein Plattform zu geben. So gesehen können nicht nur Werbemittel (Anzeigen, Film-Website) auf die Facebook-Seite verweisen, sondern sogar der Abspann des Films.

Die Facebook Seite wird zur "öffentliche CRM-Datenbank" für den Anteil des Publikums, der sich wahrscheinlich sehr für DVD und Merchandising interessiert.

Der ROI der Facebook-Aktivitäten bemisst sich dann viel weniger in Kontaktzahlen oder verkauften Kinokarten als in den über die Plattform verkauften Artikeln. Die Fanclub-Strategie ist vor allem dann nützlich, wen kein großes Social Media Budget besteht und man auf Mitnahme-Effekte aus anderen Marketingaktivitäten angewiesen ist.

2. Die Fan-Building Strategie mit Fokus Vorvermarktung

Wenn das Ziel lautet, im Vorfeld des Kinostarts Aufmerksamkeit für einen Film zu erzielen, eignet sich Facebook (meines Erachtens) nur als langfristiges Tool.
Nur wenn die Facebook-Kommunikation vom ersten Drehtag an beginnt, und die Seite kontinuierlich mit Inhalten gefüttert wird, mag es für einige Filme möglich sein, eine Fanbasis zu schaffen. Diese ist dann bestenfalls so angeheizt, dass sie sich voller Erwartung auf den Film stürzt und als Multiplikator dient. Einige Filmleute sehen in dieser Fan Building Strategie bereits ein neues Finanzierungsmodell für den Indy-Film.

Ausblick

Im besten Fall folgen beide Strategien aufeinander und bilden einen Kreislauf. Doch ganz ohne ein zusätzliches Werbebudget kommt man in beiden Fällen nicht aus. Aus der Betreuung von Pizza.de auf StudiVZ haben wir bei Faktor 3 bewiesen bekommen, dass man auch Banner und Gewinnspiele braucht, will man eine Social Media Präsenz schnell bekannt machen. Es ist wie bei einer Party. Ohne eine Einladung kommt niemand.

Aber lassen sich die aufgezeigten Strategien auf andere Branchen jenseits der Filmbranche übertragen?

Letztlich drehen sich beide Strategien um Hunting (die Kunst Neukunden zu gewinnen) und Farming (die Kunden zu halten). Vor diesem Hintergrund kann man sich entlang der Filmbranche zumindest einige Fragen stellen:
  1. Wie müsste ein Fanclub für ein Produkt aussehen, der besser funktioniert als für einen Film.
  2. Wie muss ein Produkt entwickelt werden, um von Beginn der Entwicklungszeit an Fans zu überzeugen?
Und letztlich: Wie muss eine Agentur aufgestellt sein, die nicht nur Kontakte jagen sondern auch Beziehungen zu Fans aufbauen kann.

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